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Definition von "Verführbarkeit des Menschen "

Gerade zeitgenössische Werke befassen sich oft mit der Anfälligkeit des Menschen, sich von verführerischen Angeboten vom Weg der Tugend abbringen zu lassen. Die beiden hier behandelten Texte sind Paradebeispiele dafür, dass sich Tendenzen, die sich in der Vergangenheit bereits abzeichneten, in der Gegenwart erst richtig zur Geltung kommen.

Es handelt sich um die beiden Romane Fahrenheit 451“ (1953) von Raymond Douglas Bradbury, und Schöne neue Welt“ (1932) von Aldous Huxley. Obwohl die beiden Autoren weit voneinander entfernt in verschiedenen Umfeldern wirkten (Huxley war Brite, Bradbury Amerikaner), weisen sich doch Gemeinsamkeiten auf, die auf eine durch die großartige Beobachtungsgabe der Schriftsteller aufgedeckte Schwäche jedes Mannes und auch jeder Frau hindeuten - die Versuchung, auf Kosten seiner Mitmenschen die Macht an sich zu reißen.

Bradbury illustriert dieses Verlangen nach Autorität und dessen Folgen durch die Reifung des Hauptdarstellers Guy Montag. Dieser ist ein Feuerwehrmann, wie man ihn sich heute nicht vorstellen würde. Da in der nicht allzu fernen Zukunft, in der die Handlung angesiedelt ist, alle Häuser aus feuerfestem Material gefertigt sind, hat die einst für das Löschen von Bränden vorgesehene Institution nun einen anderen Zweck. In dem totalitär regierten Staat wird die Bildung der breiten Masse unterdrückt, indem die Männer in den roten Autos losgeschickt werden, um Bücher zu verbrennen. Bei 451 Grad Fahrenheit beginnt Papier zu brennen, daher kommt der Name des Werkes. Anfangs ist Guy hoch motiviert, er sieht in seiner Arbeit eine Möglichkeit, Macht über andere auszuüben, insbesondere wenn er ganze illegale Bibliotheken vernichten soll. Er spritzt das Kerosin aus seinem Schlauch über die seiner Meinung nach sinnlosen Papierhaufen und ist mit seinem Streichholz Richter über das Wissen hunderter voriger Generationen. Eine Wandlung in seiner Sichtweise findet erst statt, als er miterlebt, wie einer Frau bereit ist, in den Flammen ihrer Bücher unterzugehen, anstatt ohne ihnen zu leben. Plötzlich stellt sich eine starke Neugier für das Verbotene ein, eine weitere Eigenschaft des Menschen, die Bradbury anprangert. Allerdings rühmt er Guys Wandlungsfähigkeit, als er den Feuerwehrmann vor der politischen Verfolgung ins Ausland flüchten und am Ende des Buches eine Atombombe das verhasste Heimatland der intellektuellen Unterdrückung vernichten lässt.

Aus einer ähnlichen Perspektive zeigt Huxley in "Schöne neue Welt", wie die Gesellschaft in nicht allzu ferner Zukunft aussehen könnte, wenn sich machtgierige Herrscher in ihrer Begierde nach Kontrolle eine Stufe über die Natur und Gott stellen. Fortschrittliche pränatale Embryonenmanipulation kombiniert mit einem im Buch als unkompliziert beschriebenen Klonvorgang, dem Bokanowsky-Verfahren, ermöglichen es den Regierungen, über fünfzehntausend Menschen mit gleichem Genmaterial zu züchten. In richtigen Fabriken werden dann fünf Kasten, auf Griechisch von Alpha für die höchste bis Gamma für die unterste benannt, geformt. Zu diesem Zweck werden dem Blut der Sprösslinge Alkohol und ähnliche wachstumshemmende Stoffe zugeführt, die primär die Entwicklung des Gehirns und der menschlichen Proportionen manipulieren. So wird eine Gesellschaft geschaffen, in der jeder Mensch seine ihm aufgetragene Aufgabe - vom Liftwart bis zum Atomphysiker - perfekt erledigen kann und somit Machtstreben und Neid von Anfang an ausgeschaltet sind. Das Problem des Widerstandes gegen die Staatsgewalt wird hier bereits im Säuglingsalter eliminiert, indem man Kindern in so genannten "Schlafschulen" Leitsprüche und Verhaltenskodizes ins Unterbewusstsein einredet. So wird jeder revolutionäre Gedanke bereits im Kern von einer durch die Herrscher geprägten, oft zweifelhaften Moralvorstellung erstickt. Die eigentliche Verführbarkeit der Menschen wird aber erst deutlich, wenn man von der Wunderdroge Soma erfährt. Diese Substanz ermöglicht es den Bewohnern des Staates, den Alltagssorgen in teilweise tagelange Benebelungszustände zu entfliehen und das ohne Nebenwirkungen. Wo also Schlafschulen und kastenspezifische Aufgabenzuteilung bei der Eliminierung von Widerstandsgedanken nicht ausreichen, wird der Geist des potenziellen Aufrührers durch eine Droge zum Schweigen gebracht.

In beiden Geschichten finden sich grundsätzlich die gleichen Elemente der Unterdrückung wieder, sodass lediglich Huxleys radikale Idee der endgültigen Ausschaltung der natürlichen Rangordnungen die ergriffenen Maßnahmen in einem noch menschenfeindlicheren Licht erscheinen lassen. Tatsache ist, dass in beiden Geschichten ein totalitärer Machtapparat eine gewisse Führungsschicht aufbaut und diese dann als Instrument der Unterdrückung benutzt. Bei Bradbury ist es die Regierung, welche die Feuerwehr zu einem Machtinstrument umgewandelt hat, bei Huxley ist es der Weltaufsichtsrat, der über die Schlafschulen nicht nur einfache Propaganda verbreitet, sondern Kontrollmechanismen in den Geist des Menschen einbaut.

In beiden Romanen werden auf der einen Seite die Herrscher verleitet, ihre Untertanen nur der Macht wegen zu unterdrücken, und die breite Masse andererseits, sich in dieses Schicksal zu fügen, da jeder negative Gedanke unangenehme Fragen aufwirft. Die Menschen werden mehr oder weniger von der Aussicht auf ein sorgenfreies Leben betört, sich in ihr Schicksal zu fügen - bei Huxley ist diese Taktik von Erfolg gekrönt, der einzige nicht in das System integrierte Revolutionär Michel wird von der Uneinsichtigkeit der Menschen in den Selbstmord getrieben. Bei Bradbury widersetzt sich zumindest eine gewisse Bildungselite der Unterdrückung.

Erstaunlich ist auch, wie die Theorien dieser utopischen Romane allmählich Realität werden. Heute ist es gar nicht mehr notwendig, Bücher zu verbrennen - es zeichnen sich schon Trends ab, dass sie in absehbarer Zukunft einfach keiner mehr lesen wollen wird. Huxleys Vision wird sich auch bewahrheiten, wenn die Leute nicht rechtzeitig einsehen, dass das ständige Verlangen nach Verbesserung des "Rohstoffs Mensch" nur zu Elitenbildung und Kontrollierbarkeit der Masse führt. Die Kritik an diesen Tendenzen macht diese Bücher zu einem einmaligen Leseerlebnis.

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Schöne neue Welt

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